Görlitz
Erste Tour 2015
Endlich geht es wieder los. Es kribbelt auch schon gewaltig. Am 1. April hatten wir das Wohnmobil wieder zugelassen und am gleichen Tag aus dem Winterquartier in Schaalby geholt. Am Dienstag, dem 7. April wollten wir zu unserer ersten Tour des Jahres 2015 aufbrechen. Ursprünglich war geplant: Elsass, Burgund, Provence, Cote d’Azure, Ligurien (Italien) und zurück über die Schweiz. Doch wir mussten umdisponieren. Frederick hatte herausgefunden, dass es in Budapest eine renommierte Zahnklinik gibt, die sich auf Implantate spezialisiert hat. Er braucht zwei Implantate und hat sich entschieden, diese dort einsetzen zu lassen. Wir werden weiter berichten.
Wir fuhren bereits am Ostermontag los, da wir eine Einladung von Mahlie und Olli zum Kaffee und Abendbrot hatten. Olli hatte noch eine Überraschung parat für Frederick: Fußball im St.Pauli Stadion am Millerntor gegen Düsseldorf inmitten der Fans auf der Gegengeraden. Es wurde ein rauschendes Fußballfest. St.Pauli gewann entgegen aller Erwartungen mit 4:0 und kletterte vom letzten auf den 16. Tabellenplatz. Gegen Mitternacht kamen die beiden überglücklich zurück. Wir übernachteten dann im geparkten Wohnmobil. Noch erwähnen möchte ich, dass die erste verbrachte Nacht im Wohnmobil gewöhnungsbedürftig war. Es gab noch ein ungelöstes Frischwassertankproblem (lief beim Auffüllen wieder raus) und wir hatten tagsüber so nah an einer Hecke geparkt, dass es unmöglich war, die Tür der Garage zu öffnen, um den Schaltknopf für die Heizung zu betätigen, Resultat: nächtigen bei minus 2 Grad
Dienstag, 7. April 2015
Nach gemütlichem Familienfrühstück bei Mahlie, Olli und Tammo in Hamburg ging es auf die Reise nach Budapest/Ungarn. …
Bei der Fahrt durch Hamburg hielten wir Ausschau nach einer Werkstatt, entdeckten aber nichts Passendes. Also gegen 11.30 Uhr ab auf die Autobahn Richtung Berlin/Dresden/Cottbus. Blauer Himmel und Sonnenschein und schöne Ausblicke auf die Landschaft begleiteten uns. Vorbei an der Grafschaft Ruppin, durch das Oderland und das Havelland, das machte Lust auf die Reisebeschreibungen Theodor Fontanes, „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“. Also gleich mal vormerken …
Endlich auch das magische Wort „Spreewald“. Da denkt man doch gleich an die Sorben in ihren schönen Trachten und an Kahnfahrten auf der Spree, jetzt Anfang April sicher noch viel zu kalt. Aber für die Rückfahrt im Mai könnten wir es einplanen. So ließen wir die vielfach gehörten Ortsnamen wie Lübben, Lübbenau, Luckau links liegen. Hatte ich gerade das Hinweisschild „Uckley-See“ gelesen? Aber den gibt es doch bei uns auch, in Krummsee bei Malente, nur schreibt er sich dort „Uklei-See“. Die Verbindung „Besiedelung durch die Slawen“ aus längst vergangenen Zeiten fällt doch sehr ins Auge.
Spricht man schon bei uns im hohen Norden vom „platten Land“, können sie hier durchaus mithalten: die Gegend ist flach und eben, mit viel Wald. Endlich runter von der Autobahn und durch die Ortschaften Richtung Görlitz. An den Ortsschildern meinen wir, bereits die Nähe zur polnischen Grenze ablesen zu können, denn viele sind zweisprachig: Bautzen = Budysin, Cottbus = Chosebuz, Weisswasser = Bela Woda. Einmal nachgelesen, erfuhren wir, dass die zweite Sprache sorbisch ist.
Kaffeedurst meldete sich an gegen 16.00 Uhr bei der Durchfahrt durch die kleine Ortschaft Döbern. An der Hauptstraße zog uns eine riesige moderne Glasfenster-Pyramide in den Bann und auf den Parkplatz.
„Willkommen in der einzigartigen Welt von CRISTALICA Kingdom“, begrüßte uns das Werbeplakat, also traten wir ein. Ein atemberaubendes Erlebnis wartete auf uns. Shopping de Luxe im größten Glaspyramidenkaufhaus der Welt, gelegen im wundervollen Spree-Neiße-Gebiet. Von Kunst bis kitschig ist alles, was man aus Glas herstellen kann, vertreten, überwiegend schöne und auch teure Dinge, ein Traum für Shopper …- mit großem Portemonnaie. Im oberen Stockwerk gab es eine Ausstellung, die ich sofort „Oligarchen-Abteilung“ nannte. Vergoldete Gläser, 220 Euro pro Stück, Lampen, wie wir sie bisher nur aus Murano/Venedig kannten. Die ganz besondere riesige bunte Lampe mit den zarten Blüten und Blättern – alles feinste Glaskunst – war für 25.850 Euro zu haben!!! Die ausgestellten Möbel waren dem Flair angepasst. Besuch dort dringend empfohlen, Eintritt frei . Könnte allerdings teuer werden, wenn man mit einer Horde kleiner Kinder hindurch zieht – oder ungeschickter Erwachsener. Frederick konnte es in seiner Begeisterung über so viele schöne Gläser nicht lassen, einige durch Aneinanderstoßen zum Klingen zu bringen, auch die Goldgeränderten, woraufhin die Dame Abteilung Verkauf zustimmend nickte: Alles Kristall, klingt schön. Gott sei Dank nix passiert … Sogar Kati Witt, die Eiskunstläuferin, hat sich mit einem Glasdesign hier verewigt mit Whiskygläsern, die aussahen wie zertrümmertes Glas, sehr hübsch.
Leider haben wir gar nichts gekauft, die Auswahl war einfach zu groß und der Wille zur Entscheidung zu schwach, da vieles zu teuer. Der Kaffeedurst war inzwischen verflogen, aber hatten wir nicht gegenüber dieser 20 m hohen Glaspyramide diesen kleinen Fleischerladen gesehen? Schnell das Abendbrot gekauft, für 3 Lausitzer Bockwürste und Kartoffelsalat bezahlten wir nur 5,50 Euro. Da fiel die Entscheidung leicht.
Gegen 18.30 Uhr erreichten wir Görlitz, die östlichste Stadt Deutschlands und direkt an der Grenze zu Polen gelegen. Hier ist es denn auch schon wieder hügeliger und in der Entfernung hat man einen Blick auf das Siebengebirge. Der ausgesuchte Stellplatz befindet sich direkt an einer Hauptstraße (4 Plätze) und es war niemand da. Wir entschieden uns, einen anderen Platz anzufahren. Bereits auf wenigen hundert Metern auf der Fahrt durch die Stadt konnten wir die unterschiedlichen Baustile aus mehr als einem halben Jahrtausend europäischer Architektur entdecken, Spätgotik, Renaissance, Barock, Jugendstil, ein städtebauliches Gesamtkunstwerk.
Ein Wunder, dass die Stadt im 2. Weltkrieg komplett erhalten geblieben ist. Nicht umsonst wird Görlitz, inzwischen von Filmemachern entdeckt, werbewirksam „Görliwood“ oder „Görlywood“ genannt. Viele Regisseure von Film und Fernsehen entschieden sich für Dreharbeiten in dieser einmaligen Kulisse („Der Vorleser“ mit Kate Winslet und Daniel Kross, „Inglorious Basterds“ von Quentin Tarantino, „The Grand Budapest Hotel“ von Wes Anderson, um nur einige zu nennen). Der letztgenannte Film wurde u.a. in einem 100 Jahre alten Kaufhaus gedreht, das jedoch seit einiger Zeit leer steht, aber noch das Grandeur aus alter Zeit besitzt. Nun will aber ein Investor einiges Geld in die Hand nehmen und das Denkmal in ein Kaufhaus der Oberlausitz (KADEO) verwandeln. Die Dame im Planungsbüro, in dem ich am nächsten Tag einige Postkarten kaufte, sprach vom erträumten Fertigstellungstermin 2016.
Schnell fanden wir den Stellplatz Rosengarten (70 Plätze) an der Reithalle/Tennis- und Sporthalle (15 Euro Gebühr inkl. Brötchen-Service am Morgen). Dann wurde es auch allmählich Zeit, sich mit dem Problem des ablaufenden Wassers zu beschäftigen. Flink die Frage auf Facebook eingestellt und sofort hagelte es 7 Antworten von hilfreichen Geistern. Es bedurfte nur eines Knopfdrucks am Kälteventil. Das hatte Frederick vergessen. Damit konnten wir das Problem selbst lösen, ohne in eine Werkstatt fahren zu müssen. Jetzt funktionierte die Warmwasserzufuhr und auch die Heizung wieder. Und endlich gab es dann das leckere Abendessen aus dem Fleischerladen.
Mittwoch, 8. April 2015
Wir schliefen hervorragend mit der jetzt wieder funktionierenden Heizung. Die leckeren Körnerbrötchen sorgten für ein fürstliches Frühstück. Heute war Sightseeing angesagt, auch wenn das Wetter nicht so richtig mitspielen wollte. Gerade mal 8°, vollkommen bedeckt und ein wenig Nieselregen, der aber bald aufhörte.
Wir hätten die Straßenbahn nehmen können, entschieden uns aber, zu Fuß den Weg zur 3 km entfernten Altstadt zu laufen, da wir uns dadurch nicht nur bewegten, sondern auch viel mehr zu Gesicht bekamen. Wir staunten über die meist 5-stöckigen Gebäude mit ihren verspielten und kunstvollen Fassaden, die die Straße Richtung Zentrum auf beiden Seiten säumten. Die meisten Gebäude waren saniert, wenn auch hier und da noch etwas getan werden müsste. Dazu sollte man wissen, dass Görlitz als eine der wenigen deutschen Städte im 2. Weltkrieg auf Grund einer glücklichen Fügung nicht zerstört worden war. Die Besitzerin eines alten Bücherladens erzählte uns etwas über russische Division, die sich damals nur 20 km vor Görlitz befunden haben soll und sich zum Angriff auf die Stadt rüstete, aber plötzlich plötzlich den Befehl bekam, so schnell wie möglich nach Berlin zu marschieren. Offenbar wollte die russische Militärführung mit aller Macht vor den Amerikanern in Berlin sein.
Die Görlitzer Altstadt liegt nördlich der Bahnlinie und man geht durch den Bahnhof hindurch, um in die Altstadt zu gelangen. Wir waren beeindruckt und auch überrascht von allem, was wir in der Stadt sahen.
Sehr schön sanierte Gebäude der verschiedenen Epochen prägen das Bild der Altstadt. Auffallend: die vielen Türme. Görlitz wird auch “die Stadt der Türme” genannt. Es gab wirklich viel zu sehen. Leider spielte ja das Wetter nicht so richtig mit und wir entschieden uns deshalb, einen Tag länger zu bleiben. Für Donnerstag war schönes (Foto)Wetter vorhergesagt.
Auf einem kleinen Markt im Zentrum verführten uns die tollen Gerüche zu einem kleinen Imbiss. Dermaßen gestärkt erkundigten wir die Stadt weiter, wanderten zur nahen Neisse-Brücke, überquerten diese als kurzen Abstecher auf die polnische Seite, was uns dann aber dort doch nicht so beeindruckend schien. Der polnische Teil von Görlitz ( Zgorzelec), der ja vor dem Krieg noch deutsch war, war nicht Teil der schönen Altstadt, die sich nur auf der westlichen Seite der Neisse erstreckt.
Direkt am Ufer der Neisse auf der polnischen Seite entdeckten wir ein kleines hübsches Café. Dort bestellten wir zwei Stück Torte und zwei Cappuccini. Der Kaffee war sehr gut, die Torten schmeckten hervorragend und die Rechnung kam auf gerade einmal 7,80 €.
Nach weiteren zwei Stunden wurden uns die Beine müde und wir machten uns auf den langen Rückweg, um abends noch die beiden spannenden DFB-Pokalspiele im Fernsehen zu schauen.
Donnerstag, 9. April 2015
Wie vorhergesagt, schien heute die Sonne. Gleich nach dem Frühstück machten wir uns wieder auf den Weg zu Fuß zur Altstadt, diesmal mit der Kamera im Gepäck. Die obigen Bilder wurden heute geschossen. Auf Grund des schönen Wetters war die Stadt jetzt wesentlich belebter. Die Straßencafès waren bereits zu früher Stunde gut besetzt. Im Sonnenschein erstrahlte die Stadt doch noch einmal ganz anders als gestern.
Wir marschierten kreuz und quer durch die Altstadt, genossen einfach die Atmosphäre, schossen Fotos und genehmigten uns zwei Cappuccino in einem Straßencafé. Frederick bestellte gleich noch einen, weil ich unbedingt die Führung in das alte jüdische Bad mitmachen wollte, das im Haus um die Ecke lag. Hierbei handelt es sich um ein im Kellergewölbe des Hauses, nahe dem Restaurant “Destille” rituelles Bad aus dem 14. Jahrhundert. Die rituellen Waschungen dürfen nur mit zu- und abfließendem Wasser vorgenommen werden, das hier in 5,20 m Kellertiefe gegeben ist, da sich das Wasser aus einer Quelle einspeist. und Die Führerin wußte eine Menge über das Bräuche und Riten des Judentums zu berichten, es war hochinteressant und ist es wert, nachgelesen zu werden. Schließlich wurde es Zeit, am späten Nachmittag zurück zum Stellplatz zu gehen, denn wir mussten ja heute noch weiter nach Breslau. Wir hatten uns Kuchen in der Stadt gekauft, den wir vor dem Wohnmobil genüsslich bei einer Tasse Kaffee verzehrten.
Dann machten wir das Wohnmobil startklar. Es war doch etwas spät geworden. Daher entschieden wir uns, die Autobahn nach Breslau zu nehmen. Die Fahrt dauerte nur knapp zwei Stunden. Kurz nach der Überquerung der Grenze tankten wir noch. Das war aber nicht so clever, da wir weiter Richtung Breslau 10% weniger bezahlt hätten. Wieder was gelernt!
Den Stellplatz in Breslau fanden wir ohne Mühe. Er befindet sich ca. 5 km vom Zentrum entfernt. Wir werden morgen die Straßenbahn nehmen, um mehr Zeit in der Stadt verbringen zu können. Wir buchten zwei Übernachtungen. Samstag Vormittag planen wir die Weitereise in die Slowakei. Der Stellplatz ist klein (10 Plätze), aber nett angelegt. Die sanitären Einrichtungen sind in Containern untergebracht, alles ist sauber. Schnelles WLAN gibt es auch. € 16 pro Nacht ist gerechtfertigt.
Schnell das Abendbrot gemacht, und den Rest des Abends verbrachten wir mit Fernsehen: Promi Quiz Duell mit Jörg Pilawa.