Warschau
Donnerstag, 19. September 2019
Ade Baltikum und Zwischenstopp mit Übernachtung in Augustow
Auf Wiedersehen, Trakai! Wir hatten am Morgen schon alle unsere sieben Sachen gepackt, waren am Auffüllen des Frischwassers, da kam unser Gastgeber angelaufen und bot die Entsorgung der Toilettenkassette an. So einen Service hat man nicht alle Tage! Frederick freute sich, dass mal ein anderer den Job übernahm. Dann verabschiedeten wir uns per Handschlag, ich bekam sogar einen Handkuss und wir düsten ab, einem neuen Ziel entgegen: Augustow, einem kleinen Kurort in Polen (etwa 30.400 Einwohner). Laut Navi sollte die Fahrt ca. 2 ½ Stunden dauern.
Wie üblich forschte ich ein paar geschichtliche Daten des Ortes nach: 1496 erstmalig erwähnt, Stadtrecht, vom polnischen König Sigismund II. im August 1557 verliehen. Schöne Altstadt also … aber nein, die Stadt wurde 1656 von den Tartaren zerstört, danach folgte die Heimsuchung durch die Pest! Schlimmer geht immer! 1795 übernahmen die Preußen und wahrscheinlich zog dann Gloria ein, jedenfalls für 20 Jahre. Im Jahre 1815 wurde Augustow Teil Kongresspolens. Ab da wurde kräftig in die Hände gespuckt und unter anderem 1825 bis 1839 der Augustow-Kanal gebaut. Von 1939 bis 1944 erlebte die Stadt wiederum Fremdherrschaft, zunächst durch die sowjetische, dann durch die deutsche Wehrmacht. Innerhalb dieser Jahre waren 70% der Stadt zerstört worden und mit ihr starb ein großer Teil der Einwohner. Wir sahen zum Glück von alldem nichts mehr, wollen uns aber trotzdem auch immer wieder konfrontieren mit der Vergangenheit. Nichts darf vergessen werden!
Unser Stellplatz lag versteckt und unter Bäumen am Parkplatz eines großen Wellness-Hotels am See.
Wir liefen in wunderschöner Natur entlang des Necko-Sees ins Zentrum. Dort befindet sich ein großer, quadratisch angelegter Stadtpark, früher einmal sächsischer Garten genannt. Es ist der zentrale Punkt schlechthin. Drum herum stehen Wohnhäuser aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Es ging geschäftig zu in dieser Kleinstadt, aber den Friseur, nach dem ich suchte, fand ich nicht bzw. war ich nicht mit dem angegebenen Termin für mich einverstanden. Frederick suchte wieder einen der Telefonshops auf und bekam eine 8 GB Daten-Simkarte für umgerechnet 1,50 €. Schon erstaunlich, was hier kostenmäßig im Vergleich zum deutschen Markt möglich ist.
Ein ziemlich heftiger Schauer drohte, so dass wir Unterschlupf in einem kleinen, gemütlichen Café suchten und den Regenschauer mit einem leckeren Stück Kuchen und einer anständigen Tasse Kaffee überbrückten. Als der Regen vorbei und wir unsere Stadterkundung wieder aufgenommen hatten erspähte ich in einer Auslage einen schönen Schal für kalte Wintertage. Da waren 12€ doch gut eingesetzt.
Außerdem hatten wir wieder so viel Glück gehabt mit dem Wetter, denn dem Schauer folgte ein recht schöner Herbsttag und die Sonne kam immer mal wieder durch, so dass auch das Fotografieren sich durchaus lohnte. Wir schlenderten entlang des Südufers des Kanals zurück zum Stellplatz, auf dem unser Fahrzeug mittlerweile als einziges stand, kümmerten uns ums Abendessen und lasen. Merke: unter Bäumen stehend gibt’s kein Fernsehen, auch mal schön!
Freitag, 20. September 2019
Großstadt Warschau
Wir hatten herrlich geschlafen, wurden aber vom Türenschlagen angekommener Autos recht früh geweckt. Wir schauten hinaus: umzingelt von parkenden Autos! Ziel der Insassen waren offensichtlich die Wellness-Anwendungen im “Palac na Wodznie” Hotel nebenan. Schien ja gut zu laufen! Da wir ja eine knapp 4-stündige Fahrt nach Warschau vor uns hatten, war frühes Aufstehen (9 Uhr) gar nicht so schlecht.
Die Fahrt – größtenteils auf hervorragenden Autobahnen – verlief ruhig und ereignislos. Natürlich wurde der Verkehr dichter, als wir uns Warschau näherten. Über 1,7 Millionen Einwohner hat die Hauptstadt Polens: Was war bloß in uns gefahren, dass wir uns das antaten? Hatten wir uns nicht immer versprochen, Großstädte zu meiden? Hinzu kommt, dass die meisten großen Städte von uns Wohnmobil-Reisenden sowieso nichts wissen wollen und in der Regel keine stadtnahen Stellplätze anbieten. Verführt, doch einen Abstecher in diese Stadt zu machen hatte uns allein die Tatsache, dass Warschau direkt auf unserer Route lag. Ein paar Informationen taten ein Übriges (Zitat „Coolste Stadt Europas“, Altstadt, Baudenkmäler, Theater, Kultur und Museen).
Wieder einmal bewunderte ich Fredericks Fahr- und Orientierungskünste. Im Gewühl der Großstadt mussten blitzschnell Entscheidungen getroffen werden. Beherzt muss man sein und nicht zögerlich. Auf die Stadt zufahrend sahen wir in der Entfernung alt und neu, neu sah aus wie ein kleines Manhattan, gläserne Hochhäuser, von mutigen Architekten entworfen. In groben Zügen half das Navi und wir fanden den “Park4Night” empfohlenen Parkplatz am hinteren Gebäude einer Galerie. Das Glück war an diesem Freitagnachmittag wieder mit uns: die freien Plätze alles andere als zahlreich, aber wir brauchten ja nur den einen, breit und lang genug, und wieder unter Bäumen (also drei Tage ohne Fernsehen). Frederick hielt Ausschau nach dem Ticketautomaten, fand ihn und bezahlte für die restlichen Stunden des Tages etwa 4€, samstags/sonntags war das Parken hier kostenlos! Mir war es ein bisschen unheimlich, so am Ende einer Straße, an einem Park, in einer Sackgasse.
Wir wischten Bedenken beiseite, sicherten unser Fahrzeug, spazierten los und landeten nach etwa 10 Minuten im Gewimmel. Zur Altstadt dauerte es allerdings nochmal 25 Minuten.
Warschau liegt an der Weichsel. Die nach dem Krieg wiederaufgebaute Altstadt gehört zum UNESCO-Welterbe. Bis dahin schafften wir es an diesem Tag erst gar nicht. Wir waren fasziniert von den großartigen, wiederhergestellten Gebäuden, dem Flair, den breiten Bürgersteigen, perfekt für die Bürger zum Bummeln, auch wegen einer verkehrsberuhigten Straße mittendurch. Die E-Roller standen (oder lagen) auch hier überall herum. Schön sieht das nicht aus und ständig rauscht einer von den Dingern an einem vorbei, so dass man sich häufig erschrickt. Ob diese Roller eine positive Entwicklung bedeuten, wagen wir zu bezweifeln.
Wir kamen an einem Musik-Café vorbei, Chopin am Nachmittag und wurden neugierig. Wenn wir schon mal nachfragen, selten sagen wir „nein“, kauften also zwei Tickets für das einstündige Klavierkonzert um 17 Uhr, 11€ pro Person. Das ließ uns eine weitere Stunde, um die die Stadt Hauptmeile (Krakauer Chaussee) besser kennenzulernen. Die Altstadt musste warten.
Wir fanden uns pünktlich ein und mit uns eine Handvoll weiterer Zuhörer. Da hätten wir mehr erwartet. Die Band, die das Café als Übungsraum genutzt hatte zog mit ihren Instrumenten von dannen und der junge Pianist Toshiki Ishii betrat Punkt 17 Uhr das Podium der kleinen Bühne. Er spielte acht Stücke, außer Chopin auch Liszt und Beethoven, und beendete jedes mit großer Geste. Man versank eine Weile in der Musik, und vergaßen die geschäftigen Welt draußen. Der junge Mann war wirklich virtuos, wurde mit „Bravo“-Rufen und viel Applaus vom kleinen Publikum bedacht. Im Nachhinein lasen wir über ihn, dass er bereits 5 Jahre an der Universität Musik studierte. Frederick begegnete ihm noch kurz nach dem Konzert, er grüßte mit “Dzien dobre”(polnisch Guten Tag”, ein Japaner in Warschau, – wir versuchen es ja auch mit der Sprache, sind aber über Dzien dobre, Dziekuje (Danke) und Prosze (bitte) nicht hinausgekommen. Auf jeden Fall war das Konzert ein ganz besonderes Erlebnis für uns!
Wer sich für die Stadtgeschichte Warschaus interessiert, schaue bitte mal in diesen LINK. Wir bewegten uns im Jetzt, und das war schon sehr viel! Überall begegneten uns die Hinweise auf Chopin-Konzerte. Wieso? Ein Hintergrund dieses Musik liebenden Volkes ist, dass Chopin seine Kindheit und Jugend in Warschau verbracht hatte. Seine Mutter war Polin, der Vater Franzose. Chopin galt als Wunderkind in der Musik und wurde gefördert, ging mit 21 Jahren nach Paris.
Nach dem Konzert stürzten wir uns ins Großstadtgetümmel.Die Stadt war voller Besucher, die sich aber gut auf den breiten Wegen in der Weitläufigkeit verteilten. Es gab viel Interessantes wie z.B. die Architektur der Häuser/Kirchen, die vielen Galerien und Museen zu besichtigen, Fotos zu schießen, Straßenmusiker und -künstler zu bestaunen. Für alle fand sich etwas. In der Altstadt (polnisch: Stare Miasto) wurde es schon etwas enger. Die kleinen Gassen mussten mit den Touristenströmen fertig werden. Jeder möchte doch am Marktplatz die schönen pastellfarbenen Häuser bewundern, die Atmosphäre in der Altstadt genießen. Wir fanden hier jede Minute spannend und erlebnisreich. Wirklich, Warschau ist eine Reise wert! Zeit mitbringen! Aber Warnung: Es ist, besonders in der Altstadt sehr touristisch!
Füße rund gelaufen und hungrig geworden, kehrten wir in einem italienischen Restaurant ein und bestellten unsere heiß geliebten Pizzen, (Tropikana = Schinken/Ananas und Salami).
Es ist kein Wunder, dass es so viele Reisende nach Polen zieht. Selbst in großen Städten hat man neben den vielen Attraktionen immer noch vergleichsweise niedrige Preise. Das können wir bestätigen. Es war mittlerweile spät geworden und wir erlebten jetzt das abendliche, erleuchtete Warschau und begegneten auf dem Rückweg zum Parkplatz den ersten Nachtschwärmern. Viele Läden sind bis 21 Uhr (und länger) geöffnet, und so ist zu späterer Stunde immer noch etwas los auf den Straßen.
Unser Wohnmobil stand nun ziemlich einsam am Platz, der aber beleuchtet war. Das versprach eine ruhige Nacht und so war es auch, wir schliefen nach all den neuen Erlebnissen wie die Murmeltiere.
Samstag, 21. September 2019
Beeindruckendes Orgelkonzert
Mit einem späten Frühstück begannen wir den Tag. Der Himmel war bedeckt und demnach kein Fotografier-Wetter, enttäuschend für Frederick. Nun, es gab aber noch genug zu schreiben und aufzuarbeiten. Ich starrte auf den Milchkarton aus Pappe (kein Plastik, wir schließen uns – soweit möglich – den veränderten Bedingungen, die Greta und das Klima diktieren, an und wollen möglichst auf Plastik verzichten). Bis zuletzt wiederholen wir die gelernten Vokabeln aus vier Ländern: auf dem Karton steht: Farm-Milk, das ist für uns leicht, Bauernhof-Milch. Gefolgt von Pienas = litauisch für Milch (haben wir den Karton dort gekauft?), gefolgt von Piens=lettisch für Milch, gefolgt von Piim=estnisch für Milch, gefolgt von Mleko=polnisch für Milch. Okay, mit dem Englischen sind es dann Vokabeln aus fünf Ländern … wozu solche Denkpausen dann mal gut sind.
Gegen 11 Uhr brachen wir dann auf, denn wir wollten um 12 Uhr mittags das Orgelkonzert in der Johanniskathedrale erleben. Zügig marschierten wir die knapp drei Kilometer entlang der uns schon vertrauten Hauptstraße zur Kathedrale in der Altstadt. Przemyslaw Kapitula, Organist, ein polnischer Virtuose auf seinem Gebiet, spielte für uns eine halbe Stunde lang Orgelklassiker. Die Tickets kosteten nur 5€ pro Person und berechtigten im Anschluss zur Besichtigung der Gruft. Mir war es nur möglich, seinen Nachnamen auszusprechen. Maestro Kapitula gibt jährlich über 120 Konzerte in ganz Europa und in Südamerika. Er arbeitet mit vielen anderen Musikern zusammen, so auch mit dem Orchester des Großen Theaters und der Nationalen Oper. Übers Jahr organisiert er über 450 Konzerte in Warschau. Entsprechend fantastisch war es also, ihm zuzuhören, als er Werke von Petrali, Chopin, Surzyński und Boëllmann (dem Programm entnommen!) spielte. Die Akustik in dieser Kathedrale trug zum Hörgenuss bei, wie auch die künstlerische Ausstattung der Kirche. Der Musiker wurde uns umso sympathischer, als er draußen seine eigenen Plakate, für diesen Tag aufgehängt, wieder abnahm und verstaute!
Nun ging unsere Entdeckungsreise in Warschau weiter. Wir spazierten zum Barbican, der alten Befestigungsanlage auf der Nordseite der Altstadt und bezahlten 1€ (!) Eintritt für die Besichtigung der restaurierten Wehrgänge und -Türme. Nach 20 Minuten waren wir dort durch und liefen über einige der hinteren Straßen und Wohngebiete zur Weichsel, dann zurück in den Trubel der Altstadt. Man kann sich nicht satt sehen an den so unterschiedlich gestalteten Häuserfronten und wir fragen uns, wie es möglich war, die im Krieg völlig zerstörte Altstadt in dieser Form wieder aufzubauen.
Die Zeit verging wie im Fluge. Heute wollten wir mal den Kühlschrank aufräumen und kochen, nach dem Motto: Was muss zuerst weg? Mit Geschnetzeltem in Sahnesoße und Salat waren wir gut versorgt und ließen das Erlebte Revue passieren.
Meine Befürchtungen im Hinblick auf den Platz hatten sich Gott sei Dank nicht bewahrheitet – bis auf die Zeit nach Mitternacht. Da rauschten sie (junge Männer, nie sind es Frauen!) mit Autos, ausgestattet mit röhrenden Auspuffen auf dem engen Parkplatz heran, knallten die Autotüren und tauschten sich lautstark über ihre tollen Fahrzeuge aus, bei laufenden Motoren natürlich. Ab und zu musste das Gaspedal auch mal durchgetreten werden, so dass die Motoren aufbrüllten und die Auspuffe ohrenbetäubend röhrten. Wir hingen von 0.30 bis 2 Uhr morgens an der Decke – konnten danach schlecht wieder einschlafen. Aber so hat alles eben seinen Preis: stadtnah, nicht auf dem Campingplatz etc. etc. Es ist nicht das erste Mal, dass wir das erleben, egal, in welchem Land! Viele andere Reisende bestätigen uns das in ihren Bewertungen der Stellplätze. Da können wir uns ja schon mal innerlich auf den Sonntagabend einrichten, denn wir bleiben bis Montag früh!
Sonntag, 22. September 2019
Hoch oben über Warschau
Ein klarer Himmel am Morgen sorgte dafür, dass wir – wenn auch nicht ausgeschlafen – nach dem Frühstück wieder los zogen. Ziel: der Kultur- und Wissenschaftspalast, mit seinem Turm und der nachgerüsteten Antenne, das mit einer Höhe von 237 Metern höchste Gebäude Polens. Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass wir tatsächlich noch im Manhattan Warschaus, dem Stadtteil mit den modernen gläsernen Wolkenkratzern landen würden. Und das zu Fuß! Eine Stunde brauchte es wohl, bis wir am „Stalinpalast“, so wurde das Gebäude einst genannt, ankamen. 1952 (Bauzeit bis 1955) wurde auf Anordnung von Joseph Stalin mit dem Bau im Sozialistischen Klassizismus (siehe Fotos!) begonnen. Der russische Architekt Les Rudnew ließ sich beim Entwurf vom Empire State Building in New York inspirieren. Das Bauwerk war – da Polen noch von der Sowjetunion kontrolliert wurde – ein Geschenk an das polnische Volk.
Der Bau war nicht unumstritten, da er als Symbol totalitärer Unterdrückung angesehen wurde. Da half auch ein ein Konzert der Rolling Stones (1967) nichts, eine der ersten Rockbands, die es hinter den Eisernen Vorhang geschafft hatten. Im Gegenteil; von den 5000 Eintrittskarten gingen 3000 Tickets kostenfrei an Parteifunktionäre und ihre Familien. Im Publikum also überwiegend ältere Herren in Anzügen statt kreischender Teenager. Die Teenies wollten sich das nicht gefallen lassen und so kam es vor dem Palast zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Lang, lang ist’s her …
Als wir nun vor diesem Wahnsinns-Gebäude standen und an ihm hinauf blickten, war es schon ein besonderer Moment. Inzwischen ist der Turm zu einem Highlight aller die Stadt Besuchenden geworden und die Warschauer akzeptieren ihn mittlerweile als ein Wahrzeichen ihrer Stadt. Von oben soll man den schönsten Blick auf Warschau haben. Dem konnte selbst ich mich nicht verschließen und wir reihten uns im Gebäude in die lange Schlange (Wartezeit 40 Minuten) vor dem Ticketschalter ein. Bis mir auffiel, dass man diese auch per Internet kaufen konnte, was Frederick umgehend tat und wir an all den anderen Wartenden vorbei gehen konnten bis zur Dame, die die Herrschaft über den Fahrstuhl hatte. Sie scannte die Tickets (4€ pro Person) auf Fredericks Telefon und es ging 30 Stockwerke hinauf bis zur Aussichtsplattform, in 45 Sekunden! Die Plattform konnte man einmal umrunden und den Ausblick auf die unter uns liegende Stadt auf allen Seiten genießen. Selbst mir fiel das nicht schwer, weil die großen Öffnungen mit hohen Gittern versehen waren und man nicht unbedingt das Gefühl hatte, im Freien zu stehen!
Hier verbrachten wir einige Zeit. Schließlich musste sich so ein Aufwand auch fotografisch lohnen. Ein grandioses Gebäude! Von einer Seite aus schaute man direkt auf ein modernes Wohnhochhaus mit 52 Geschossen, 192 Meter hoch. Damit ist es das höchste Wohnhaus in der Europäischen Union, entworfen von Daniel Libeskind, gebaut zwischen 2007 bis 2016.
Wieder sicher unten angekommen, durchstreiften wir die restliche Gegend und gelangten in den Stadtteil des ehemaligen Warschauer Ghettos. Aus dem modernsten Stadtgebiet kommend in einen Innenhof hinein zu stolpern, der gerade voller Besucher war (vermutlich aus Israel, da die Männer die Kippa und die israelische Flagge trugen), in so einen Hinterhof mit den Resten einer Mauer, von Deutschen errichtet, verursachte ein beklommenes Gefühl. Die Häuser mit den kleinen Hinterhöfen sind bewohnt und Schilder bitten Neugierige und Besucher um Rücksichtnahme und Achtung der Privatsphäre. Wir gingen leise davon.
Einmal auf dem Geschichtspfad, liefen wir weiter und weiter durch diesen so ganz anderen Stadtteil. Es ist aber gut, dass man auch immer wieder mal die andere, nicht touristisch aufgemachte Seite sieht. Geschätzte drei Kilometer Fußmarsch brachte uns zum Museum der Geschichte der polnischen Juden (abgekürzt POLIN) in der Anielewicza Str. 6. Es befindet sich beim Ehrenmal für die Helden des Warschauer Ghettos, an dem Willy Brandt mit der Geste des Kniefalls am 7. Dezember 1970 für die deutschen Verbrechen des Zweiten Weltkrieges um Vergebung bat.
Damals existierte das Museum noch nicht. Der Grundstein dazu wurde erst 2007 gelegt, teileröffnet wurde es im April 2013 anlässlich des 70. Jahrestages des Beginns des Warschauer Ghettoaufstandes. Im Oktober 2014 war das Museum komplett fertig gestellt und wurde feierlich eröffnet. Bevor wir im Gebäude an den Ticketschalter kamen, wurden wir – wie an Flughäfen – durchgescanned, ebenso Rucksäcke, Handtaschen auf dem Förderband. Und bevor wir uns überhaupt auf den Weg durch eine so große Ausstellung ( jüdische Geschichte vom Mittelalter bis in die Gegenwart) machen wollten, war erstmal ein Kaffee und etwas zu essen nötig. Das modern gestaltete Museums-Café bot alles.
Danach zum Ticket-Schalter, die Eintrittskarten kosteten 6€ pro Person. Es waren viele Besucher da. Es ist wert, einmal die Geschichte zur Entstehung des Museums nachzulesen. LINK
Wir verbrachten wohl gute zwei Stunden dort. Beeindruckend ist, dass überwiegend das Leben der jüdischen Bevölkerung über die Jahrhunderte geschildert und beschrieben wird und es nicht ein weiteres Holocaust-Museum ist, dass die Verfolgung und Ermordung der Juden als alleiniges Thema hat. Es finden wechselnde Ausstellungen und Veranstaltungen statt. Deutschland hat den Bau des Museums finanziell unterstützt. Eine ständige Ausstellung spiegelt die Geschichte der polnischen Juden vom Mittelalter bis heute wider. Das hölzerne Gewölbe der 1942 zerstörten Synagoge in Hwisdez wurde mit Hilfe von Freiwilligen rekonstruiert und künstlerisch ausgestaltet.
Man wird mittels Audio Geräten gut durch die gesamte faszinierende Ausstellung geführt, und natürlich ist das letzte Thema dann die geschichtliche Aufarbeitung der Vernichtung der Juden. Zurück bleibt Sprachlosigkeit und die stumme Frage nach dem Warum. Dieses Museum ist ein MUSS für alle Warschau-Besucher!
Als wir das Museum verließen war es schon 18 Uhr. Wir hatten genug gesehen an diesem Sonntag und waren auch nicht mehr aufnahmefähig. Der Rückweg zum Stellplatz führte uns nochmals durch die Altstadt, die voller Menschen war. Lust zum Kochen hatten wir heute keine mehr. Deshalb kehrten wir noch mal in ein kleines Restaurant ein und bestellten leckeres Italienisches. Es war spät, als wir unseren Parkplatz erreichten. Alles okay mit dem Wohnmobil, ein paar PKW’s standen dort. Leider wurde es dann wieder so eine unruhige Nacht. Es schienen dieselben jungen Männer vom Vorabend zu sein, die sich beinahe direkt neben unserem Wohnmobil trafen und lärmten. Typisch für Samstag/Sonntag … aber nicht zu ändern.
Ich war schon öfter in Polen mit dem Wohnmobil. Noch nie in Warschau. Danke für die ausführliche Beschreibung. Leider sind wir nicht gut zu Fuß und fahren kein Fahrrad. Aber überall fährt ein Bus oder so. Und Taxi’s sind bestimmt auch da. Warschau wir kommeb