Stockholm
Freitag, 1. August.2014
Mariefred und Schloss Gripsholm, wir kommen wieder! Zunächst einmal aber machten wir uns frisch gestärkt vom Frühstück auf den Weg nach Stockholm, lt. Navigationsgerät ca. eine Stunde Fahrt. Frederick hatte einen Stellplatz aus den Vorschlägen des schwedischen Husbilsklubben, bei dem wir seit neuestem Mitglied sind, ausgesucht. Kriterien: stadtnah und kostenlos. In der Großstadt herrschte wesentlich mehr Verkehr, unser Gerät und der Fahrer liefen den Stellplatz aber ohne Probleme an. Er befindet sich an der südlichen Seite der Insel Södermalm, direkt am Ufer eines Armes des Mälarsees.
Vor uns lag ein von Joggern, Radlern, Spaziergängern viel genutzter Wanderweg in die Stadt. Da wir uns schnell orientieren wollten, nutzen wir diesen Weg auch und wanderten am Erikdalsbadet (Schwimmhalle und Freibad) vorbei und waren innerhalb von 15 Minuten an der U-Bahnstation (in Schweden folgt man dem Zeichen “T” = Tunnelbana). Ein Glück, dass Frederick sich ‘n bisschen auskennt ….
Wir kauften Touristenkarten mit Rentnerbonus für die öffentlichen Transportmittel in der Stadt (U-Bahn, Busse, Fähren), die drei Tage lang gültig sein sollten und fuhren mit der U-Bahn (Tunnelbana) Richtung Zentrum. Als unbedingtes MUSS in Stockholm gilt der Besuch der Gamla Stan, des alten Viertels, vielleicht am ehesten vergleichbar mit der Getreidegasse in Salzburg. Hier war ordentlich was los! Ein Gewimmel von Leuten aus aller Herren Länder, im Straßenbild etliche bunt und schillernd gekleidete Roma-Frauen. Leider bettelten sie. Später lasen wir auf großen Stellwänden über die Roma. Sie kommen zumeist aus Bulgarien und arbeiten als Erdbeerpflücker, Blaubeeren- und Pilzsammler (sicher unterbezahlt)für Händler, finden ihre Lebensbedingungen in Schweden dennoch weitaus besser als im Heimatland. Auf den Plakatwänden kamen auch Roma zu Wort, die es “geschafft” haben in ein wirklich (vermeintlich) besseres Leben. Sie hatten den Zugang zu Bildung und Ausbildung nutzen können, waren nun Journalistin, Anwältin, Musiker und setzten sich für ihr Volk, klassifiziert als Minderheit, ein.
Bei dem Gewühl in den verwinkelten Gassen der Gamla Stan musste ich höllisch aufpassen, Frederick nicht aus den Augen zu verlieren. Immer wieder gab es das eine oder andere Fotomotiv, er ging entweder vor oder blieb zurück – plötzlich standen wir vor einer riesigen Kirche. Auf Deutsch wurden im Kirchen-Café Waffeln und Kaffee/Saft angeboten zum beinahe Selbstkostenpreis, da konnten wir nicht widerstehen.
Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass es sich um die deutsche Kirchengemeinde St. Gertrud handelte. Das Café wurde in eigener Regie von den Jugendlichen der Gemeinde betrieben um ihnen Gelegenheit geben, Erfahrungen in der Alltags- und Berufswelt zu sammeln. Ein gutes Projekt! Die Kirche hatte wunderschön bunte, Blei verglaste Fenster, eine fantastisch ausgeschmückte vergoldete Orgel und viele Holzschnitzereien. Ein Besuch ist wirklich lohnenswert.
Weiter ging es mit der Besichtigungstour, am Gebäude der Nobel-Preis-Stiftung vorbei, auch ein schöner altehrwürdiger Bau, aber man kann eben nicht alles besichtigen. Das Königliche Schloss war das nächste Ziel. Wir hatten Glück, es war Wachablösung, ein kurioser Prozess in der heutigen Zeit, ein touristisches Highlight! Vielleicht ist es ja auch ganz nett, an einigen Traditionen festzuhalten.
Anschließend gingen wir durch das Reichstagsgebäude in die zentrale und moderne Fußgängerzone, hier wie andernorts auch ein Konsumtempel nach dem anderen. Wenn man sich nicht gerade auf Einkaufstour befindet, kann man sich dies schenken, meint Frederick.
Per Vorortszug wollten wir nach Viggbyholm, wo Frederick vor 48 Jahren einmal gewohnt hatte. Leider fuhr der Zug nicht. Frederick machte noch ein Foto vom Olympiastadion, wo er vor 48 Jahren die ganze brasilianische Fußballmannschaft getroffen hatte. Er bat damals Pele um ein Autogramm, dass dieser großzügig tat (die Unterschrift diagonal über eine weiße Karte im Postkartenformat). Dann nahm er Frederick mit in den Mannschaftsbus und ließ jeden der anderen Spieler auf der Rückseite der Karte signieren. Es war das Jahr der Weltmeiserschaft 1966, wo bekanntlich Deutschland 2:4 gegen England auf Grund eines ominösen, sehr umstrittenen Tores für England verlor. Ob man es glaubt oder nicht, diese Karte ging irgendwann verloren!
Wir wanderten entlang der Sturegatan zurück Richtung Hafen, dann entlang des Wassers. Hier standen der Reihe nach viele Wohnmobile. Man sagte uns, dass man ab Freitagabend bis Montag früh, 9.00 Uhr dort kostenlos stehen konnte, sehr attraktiv – aber laut war es dort schon, deshalb entschieden wir uns gegen einen Umzug.
Nach einer Weile kamen wir auf der Insel Djurgården an, wo sich Gröna Lund befindet: ein riesiger Rummelplatz, zu vergleichen mit dem Hamburger Dom, nur dass dieser Vergnügungspark (Tivoli) fest installiert, d.h., ganzjährig geöffnet ist. Nach so einem langen Tag des Pflastertretens mussten wir schon ziemlich alt ausgesehen haben, denn der Kassierer am Eingangstor des Parks gewährte uns freien Eintritt! Dies gilt nur für Rentner und er wollte nicht mal die Ausweise sehen. Manchmal lohnt sich Altwerden eben doch!
Der Trubel im Park und die vielen verschiedenen Attraktionen von Fahrgeschäften sind unbeschreiblich, wirklich nichts mehr für uns dabei! Trotzdem genossen wir die Atmosphäre und ließen uns in der Menge treiben. Wir hielten uns an einen der Fress-Stände und kauften als Abendbrot mexikanische Nachos.
Auf dem Rückweg fuhren wir mit der Fähre nach Slussen, dann nahmen wir die Tunnelbahn und das letzte Stück des Weges legten wir zu Fuß zurück, auf dem vorher beschriebenen Weg, der immer noch gut bevölkert war von Sporttreibenden. Direkt vor unserem Wohnmobil hatte jemand sein Fahrrad am Pfahl an die Kette gelegt. Uns war kaum möglich, dort unsere Stühle aufzustellen, denn zum Drinsitzen war es noch viel zu schön. Außer uns standen noch einige Pkw’s und zwei sehr alte Wohnmobilmodelle auf dem Platz. Irgendwann wurde es dann doch schummrig und wir waren müde genug, um schlafen zu gehen. Zwar war es noch sehr warm von der Hitze des Tages, aber das Dachfenster kann man getrost geöffnet lassen. So schnell steigt uns niemand auf’s Dach.
Leider schlief ich schlecht, hörte noch die Spätheimkehrer (ein Freitagabend!), die sich laut auf dem Wanderweg unterhielten, vereinzelt Jogger, Radfahrer in Gruppen, denn der Weg war gut beleuchtet. So zählte ich die Stunden bis halb zwei morgens, erst dann wurde es ruhiger. Plötzlich klopfte jemand laut an unsere Tür, mehrfach hintereinander. Das weckte auch Frederick auf! Wir verhielten uns ganz still, und dann war es draußen auch ganz ruhig. Es war halb vier. Wer konnte das gewesen sein? Die Polizei? Die hätte sich wohl weiter bemerkbar gemacht. Wahrscheinlich war es ein Test, ob jemand zu Hause war, im Wohnmobil. 1. Regel: niemals die Tür öffnen. Wir überlegten ein bisschen, was zu tun sei. Plötzlich gab es einen Ruck am hinteren Teil unseres Fahrzeugs, wollte sich da jemand an unseren Konfirmationsfahrrädern (Harald nannte sie so) zu schaffen machen? In Nullkommanix waren wir angezogen, schlugen das Dachfenster zu und machten das Auto startklar zur Abfahrt. Das war uns doch etwas unheimlich geworden. Gut, dass wir das neue Ziel kannten: den Stellplatz mit den vielen Wohnmobilen mitten im Geschehen! Keine 10 Minuten später kamen wir dort an und fanden noch einen Platz! Sehr erleichtert bauten wir uns hier unser Nest. Klar dauerte es eine Weile, bis wir wieder zur Ruhe kamen. Gott sei Dank hatten wir bis dahin noch keine solche schlechte Erfahrung gemacht. Regel Nr. 1.1.: immer dort parken, wo bereits andere (viele!) Wohnmobilfahrer stehen, gibt mehr Sicherheit!
Samstag, 2. August 2014
Heute zwei wichtige Anrufe: Geburtstagskindern Timo und Oliver gratulieren! Leider nur einen (Olli) erreicht!
Ein bisschen wie gerädert waren wir nach dieser Nacht. Auf diesem Platz war zwar die Aussicht toll, der Blick über den Hafen und die Boote. Aber wie vermutet, war es sehr laut! Ich hatte das Gefühl, die Laster fuhren mitten durch unser Mobil hindurch. Aber nach einem kräftigen Frühstück war alles wieder gut. Heute wollten wir ins Maritime Museum (freier Eintritt) und ins Freilichtmuseum Skansen, das 1891 von Artur Hazelius gegründet wurde (16 Euros pro Person mit Rentnerbonus).
Der Weg zum Seefahrtsmuseum (Sjöfartsmuseet) war ein schöner Spaziergang, allerdings schon um 10.30 Uhr in brütender Hitze. Die Empfangshalle war noch angenehm kühl, jedoch hatten sich die Ausstellungsräume derart aufgeheizt, dass es die schiere Qual war, sich von Exponat zu Exponat von historischen Schiffen (Modelle) zu schleppen. Dabei war es so interessant, über jahrhundertealten Handel und Wandel in der Schifffahrt zu lesen. So gut wie jede Information war auch auf Englisch verfügbar. Nur leider dort nicht, wo ich es am stärksten gebraucht hätte: Abteilung Tattoos. So sprachen nur die vielen Fotos von tätowierten Menschen aller Altersgruppen für sich. Das war uns überhaupt in Schweden aufgefallen, sehr viele junge Frauen trugen Tattoos. Eines ist sicher, seit Jahrhunderten gehören Tätowierungen zur Seefahrt. Früher waren es eben das Kreuz, das Herz und der Anker (Glaube, Liebe, Hoffnung), heute sind der Fantasie und dem Können der Tätowierer keine Grenzen gesetzt.
Endlich wieder draußen, in flimmernder Hitze, sahen wir vor dem Museum aufgebaute Stände: eine Veranstaltung der schwedisch-koreanischen Freundschaft, wie wir unschwer erkennen konnten. Die Flaggen beider Länder waren gehisst. Auf einer Bühne fanden kleine Vorführungen statt, die mitwirkenden Koreanerinnen waren in traditionelle Gewänder gekleidet. Wir legten eine Pause ein und schauten ein wenig zu.
Unser nächstes Ziel war das Freilichtmuseum Skansen (übersetzt “Schanze”). Es ist das älteste Freilichtmuseum der Welt, 1891 gegründet und nicht nur deshalb weltberühmt. Man kann hier fünf Jahrhunderte Schweden durchwandern, von Nord nach Süd, und in den kulturgeschichtlichen Häusern und Bauernhöfen, in denen Menschen in zeittypischen Kleidern Arbeiten verrichten, den Flügelschlag der Geschichte spüren.
Insgesamt wurden über 150 Häuser und Bauernhöfe aus ganz Schweden wieder aufgebaut. Im Sommer wird traditioneller Volkstanz aufgeführt – wir hatten Glück und konnten zuschauen! Außerdem gibt es einen Zoo mit nordeuropäischen Tieren (wilde wie Bär, Wolf und Luchs) und zahme (Schafe und Ziegen) und mancherlei anderem Getier. Die Wilden waren bei dieser Hitze nicht zu sehen, waren wohl allesamt in ihren Höhlen, kein Wunder!
Es ist ein Leichtes, sich die Zeit in diesem großen und schönen Areal zu vertreiben, aber irgendwann waren unsere Füße rundgelaufen, der Verstand weigerte sich, noch mehr aufzunehmen und wir traten den Rückweg zum Wohnmobil an. Dabei kamen wir an der Tanzfläche vorbei, auf der Frederick vor fast 50 Jahren die Herzen der schwedischen Mädchen hatte höher schlagen lassen, Luftgitarre und Engtanzen, wie sie es hier – ob alt oder jung – so lieben.
Zu Frederick’s Zeit spielten Schlager, heute der Tango eine große Rolle! Noch schnell ein Foto gemacht an diesem erinnerungswürdigen Ort… Sweet memories! Den Plan, am späten Abend noch einmal zum tanzen hierhin zurückzugehen, gaben wir mit Rücksicht auf unsere Füße auf. Am Yachthafen, an dem Frederick mit Cousin Matthias und “Bird of Tuvalu” 2011 seinen Segeltörn nach Finnland startete, passierten wir auch noch.
Mit unseren müden Gehwerkzeugen waren wir schließlich froh, wieder am Wohnmobil angekommen zu sein. Dort kamenwir noch mit unseren schwedischen Nachbarn ins Gespräch, die uns gleich ein paar Tips für unsere Weiterfahrt gaben. Wir machten uns Abendessen und genossen die tolle Atmosphäre dort, so mitten am Hafen von Stockholm! Man stelle sich das einmal vor, Wohnmobilstellplätze an den Landungsbrücken in Hamburg (und dann kostenlos) … Wie fast alles Schöne hatte dies einen Preis: der Lärm. Die Discomusik vom gegenüberliegenden Ufer rockte uns bis zwei Uhr morgens in den Schlaf, die Straßenbahn und Autos taten ein Übriges. Zu allem Überfluss wurde es dann um drei Uhr morgens so richtig laut. Ein Gewitter, dass wir so heftig noch nie erlebt hatten entlud sich direkt über dem Hafen. Regenmassen prasselten auf das Dach unseres Wohnmobils. Vier Stunden lang blitzte und donnerte es pausenlos, dazu auch noch wolkenbruchartiger Regen.
Sonntag, 3. August 2014
Erst gegen 6 Uhr morgens ließ der Regen nach und um 7 Uhr kam schon die Sonne durch. Für die nächsten zwei Stunden erhaschten wir dann doch noch Schlaf, dann wurde es zu warm und wir torkelten aus der Koje.
Stockholm, du bist so schön, doch wir woll’n lieber weiterzieh’n. Das taten wir dann gleich nach dem Frühstück.