Saint-Jean-Pied-de-Port
Wir bleiben noch länger in Saint-Jean-Pied-de-Port
… immer noch keine Nachricht über einen Notartermin von der Maklerin! Also blieben wir noch den Rest der Woche, fünf wunderschöne Tage in Saint Jean.
Ein kleiner Pilgerversuch
Hatten wir in den vergangenen Tagen bereits einmal einen Anlauf auf dem Jakobsweg – mit Stöcken ausgerüstet – gewagt, brachen wir den Versuch jedoch schnell wieder ab, weil es einfach zu heiß war! Außerdem waren wir falsch abgebogen und hätten uns noch glatt verlaufen! Im Ort studierten wir dann am Mittwoch die Pilgerweg-Hinweisschilder gründlicher und spazierten – dieses Mal ohne Stöcke – doch noch einmal los. Zügig ging’s aus dem Zentrum heraus und den steilen Weg hinauf, entlang der Straße an interessanten ländlichen Häusern vorbei.
Viele der Häuser trugen Schilder mit der Aufschrift “Auberge” (Herberge). Als Pilger muss man sich also keine Sorgen machen, einen Übernachtungsplatz zu finden. Schon bald waren wir inmitten der Natur. Kühe grasten auf der Wiese am Steilhang und wir glaubten, unseren Ohren nicht zu trauen: Sie hatten Glocken um den Hals – wie in Bayern! So wanderten wir eine Weile zum Klang der Kuhglocken. Nur wenige Autos fuhren in großem Bogen an uns vorbei, schließlich mahnten uns unsere Füße zur Umkehr.
Beginn des Jakobwegs
Cannelés
Auf dem Rückweg stellte sich eine süße Katze bei uns vor. Am liebsten hätten wir sie eingepackt und mitgenommen – immer diese Verführungen! Im Ort lockte dann eine süße Verführung: 10 Cannelés aus der kleinen Bäckerei, aus der es immer so lecker geduftet hatte. Wir bezahlten 7,50€ für diese baskische/französische Spezialität. Es sind kleine, unterschiedlich gefüllte Küchlein. Rezepte dafür gibt es sogar im Internet. Viel Lärm um Nichts? Selber machen würden wir sie wohl auch nicht, aber diese verzehrten wir mit Genuss, auf zwei Tage verteilt.
Auf dem Stellplatz war es ein ständiges Kommen und Gehen. Die meisten Wohnmobilisten blieben nur einen oder zwei Tage. Tagsüber schien immer die Sonne und es war weiterhin mit etwa 25 Grad noch recht warm. Nachts kühlte es sich herunter auf etwa 10 Grad, also perfektes Wetter für uns. So konnten wir immer sehr gut schlafen.
Baskische Sprache
Hier ein kleiner Sprachkurs “Wir lernen Baskisch”:
Egon on = Guten Morgen
Egon ona = Guten Tag
Arratsalde on = Guten Abend
Eskerrik asko = Danke
Barkatu = Entschuldigung
Oje, das braucht wohl eine Weile, ehe man die Sprache beherrscht! Das Baskische ist die einzige lebende nicht-indogermanische Sprache in Westeuropa und die älteste lebende Sprache Europas. Neben dem Spanischen ist das Baskische offizielle Amtssprache in der baskisch-sprachigen Zone, sowohl in Frankreich als auch in Spanien. Verwaltung und Unterricht sind also zweisprachig. In Spanien war unter Franco alles Baskische verboten, die Sprache und sogar baskische Namen. Mehr Informationen bietet das Internet.
Waschtag
Freitag war Waschtag. Wie praktisch, dass es – keine fünf Minuten Fußweg von uns – im Ort eine Lavanderia gab. Die 15 kg-Maschine war schnell befüllt, nach Zahlung von 8€ (das ist sehr günstig) und einer Stunde Wartezeit waren Bettwäsche, Handtücher und alles andere wieder blitzsauber. Eine halbe Stunde später konnten wir unsere Großwäsche auch aus dem Trockner nehmen (3 €). Die Wartezeit hatten wir zu einem weiteren Bummel genutzt und Frederick fand ein Erinnerungsgeschenk für mich: Das baskische Kreuz (Lauburu – Lau steht für vier und Buru für Köpfe, es ist ein Ahnensymbol der baskischen Kultur und Tradition) an einer Kette, sehr hübsch!
Zur gleichen Zeit zog eine Prozession mit Trommeln, Pfeifen, Folkloretänzen, Jung und Alt in traditionellen Kostümen durch die Straßen. Leider funktionierte es nicht wie gewünscht mit der Videoaufnahme, also nur ein Foto davon.
Am letzten Tag, Sonntag, flanierten wir über den riesigen Büchermarkt in der Markthalle von Saint Jean, die wir erst jetzt wahrnahmen. Die Halle ist ein teilweise offenes Gebäude mit Überdachung. Die Markttage mit Gemüseständen und vielem mehr hatten wir doch tatsächlich verpasst. Nun also Bücher, was uns nicht viel diente, da durchweg alle in französischer Sprache. Für ein Foto eines Comics über die bei uns bekannten Schlümpfe reichte es aber. Wir entdeckten noch einen schönen Park mit Kinderspielplatz und saßen eine Weile dort im Schatten auf einer Bank mit Blick über das Städtchen.
Im Stadion
Für den letzten Abend hatten wir uns noch etwas ganz Besonderes vorgenommen, nämlich m neben dem Stellplatz liegenden Stadion bei einem “Pelota-Spiel” zuzuschauen. Um 21 Uhr sollte es beginnen, die Musik im Stadion lockte uns aber schon eine halbe Stunde früher dorthin. Der Eintritt war an diesem Tag frei (normalerweise bezahlt man 10 Euro pro Person). So bringt man Touristen wohl die Liebe und das Interesse an diesem wirklich interessanten Spiel bei!
Das Stadion ist recht klein, denn es gehören nur drei Spieler zu einer Mannschaft. Das Spiel hat Ähnlichkeit mit Squash und ist doch so ganz anders. Zwei Mannschaften á drei Spieler, der ziemlich harte Ball (etwa so groß wie ein Tennisball) wird von dem vordersten Spieler der Mannschaft, die den Münzwurf gewonnen hat, gegen eine Wand geschlagen, so dass der Ball in einem hohen Bogen 30 bis 40 Meter zurück ins Feld springt, wo er von einem Spieler der anderen Mannschaft aufgenommen und zurück an die (immerhin 30 bis 40 Meter entfernte) Wand zurückgeschleudert wird. Dann wird der Ball abwechselnd gegen die Wand gespielt, bis ein Spieler einen Fehler macht. Wie beim Squash gibt es an der Mauer in etwa 50 cm Höhe eine waagerechte Linie. Der Ball muss grundsätzlich die Wand über dieser Linie treffen. Wenn nicht, gibt es einen Punkt für die andere Mannschaft. Der Ball wird mit einer Art gekrümmten Korbschläger geschleudert und gefangen, der sogenannten Chistera. An sich ist es kein Schläger, sondern eine Ballbeschleunigungshilfe. Dieses Gerät wird mit Bändern am Handgelenk der Wurfhand befestigt. Man kann den Ball entweder direkt annehmen oder einmal aufprallen lassen. Wer als erstes 40 Punkte erreicht, hat das Spiel gewonnen. Lustig ist, dass die Ergebnisse jeweils gesungen werden, auf baskisch und französisch. Es war ein tolles Erlebnis, sehr spannend und amüsant zuzusehen, weil Zuschauer und auch Spieler sich nicht mit Kommentaren und Anfeuerungen zurückhielten. Ein Superabend! Auf dem Mannschaftsfoto unten ist auch der singende Ergebnissänger dabei (mit Baskenmütze).
Abreise
Montag, 19. September 2022. In den letzten Tagen hatten wir unseren Gasverbrauch reduziert, indem wir draußen Kaffee und Essen kochten auf Fredericks kleinem Campingkocher. Es war an der Zeit, aufzubrechen zum nächsten Stellplatz in Pamplona und unterwegs eine Tankstelle für LPG-Gas zu finden. Nach 12 erlebnisreichen und wunderschönen Tagen verließen wir Saint Jean-Pied-de-Port. Die Route führte direkt durch die Pyrenäen. Ziel war die Großstadt Pamplona (berühmt wegen des dort jährlich stattfindenden Volksfestes, wenn die Stiere durch die engen Straßen der Altstadt gescheucht werden).