Daugavpils
Samstag, 14. September 2019
Auf dem kleinen Parkplatz hier am See in Ikškile (den Tipp hatte Ivars uns gegeben) hatten wir ruhig und sicher geschlafen. Nach dem Frühstück folgten wir Ivars‘ weiterem Rat und spazierten noch ein wenig am Ufer des aufgestauten Flusses Düna entlang, bis wir den Fußweg zur Ruine einer kleinen Kirche sahen. Der Übergang war nicht ganz so einfach, denn man musste sich über kleine Felssteine jonglieren, so dass ich darauf verzichtete, um mir keine nassen Füße einzuhandeln. Nicht immer ist der Pfad begehbar, häufig überspült, aber heute lag er einigermaßen trocken und Frederick konnte über die „Stepping Stones“ auf die kleine Insel gelangen.
Um die Ruine vor weiterem Verfall zu schützen, wurde sie überdacht. Sie zählt zu den ältesten Steinbauten Lettlands. 1184 wurde mit dem Bau begonnen, in den folgenden Jahrhunderten wurde sie mehrfach umgebaut, zerstört, wieder aufgebaut bis zuletzt 1916. Heute ist die Ruine der Kirche konserviert, die Ufer der Insel sind befestigt. Übrigens ist das deutsch-baltische Adelsgeschlecht derer von Uexküll Namensgeber des Ortes = auf lettisch Ikškile. Aber das liegt lange zurück, führt ins Jahr 1257. Link Uexküll. Ein Gedenkstein am Weg erinnert daran.
An diesem Samstagmorgen war auf dem Weg viel los: Jogger, Radfahrer, Wanderer, hauptsächlich Fotografen auf Motivsuche. Davon gab es mehr als genug, denn in dem seichten Wasser waren tausende von Vögeln auf Nahrungssuche. So gelangen auch Frederick einige interessante Aufnahmen.
Schließlich setzten wir unsere Reise nach Daugavpils fort, einer Fahrt von etwa zweieinhalb Stunden. Leider war die Straße auf dieser Strecke anfangs richtig schlecht, eine Ausnahme! Ein paar Bauarbeitsstrecken taten ein Übriges und die Fahrt dauerte länger als geplant. Dann begann es auch noch zu regnen. Im Ort Koknese hielten wir und kauften in einem Einkaufszentrum ein paar Lebensmittel ein. Wegen des Regens verzichteten wir auf eine Besichtigung der Stadt und fuhren weiter.
Daugavpils hatten wir uns auf die Fahne geschrieben, weil wir das Mark Rothko Art Center besuchen wollten. Als bester Stellplatz erschien uns der Tipp mit dem Parkplatz innerhalb der Festung, direkt gegenüber der Polizeipräfektur. Ansonsten versprachen wir uns nicht so viel von dem Ort, der nur 27 km von der Weißrussischen Grenze und von Litauen etwa 19 km entfernt liegt.
Die Toreinfahrt zur Festung war nur 3,10 m hoch und die Öffnung ziemlich schmal. Unser Fahrzeug ist 3 m hoch … Aber Frederick schaffte es, uns hindurch zu manövrieren. Der rechte Außenspiegel tippte mal ein bisschen ans Mauerwerk …
Wir staunten: Die Zitadelle am Fluss Düna (Daugavpils = deutsch Dünaburg) ist riesig, aber lange nicht so alt wie die Stadt, die schon 1275 schriftlich erwähnt wurde. Die Festung, in der wir nun waren, entstand erst im. 19. Jahrhundert. Auch diese Stadtgeschichte würde wieder Seiten füllen, wer mehr wissen möchte, bitte einfach in den Link Zitadelle Daugavpils schauen. Wir im hier und heute waren mit unserem Stellplatz sehr zufrieden, sicherer als gegenüber der Polizei kann man ja wohl nicht stehen!
Die Anlage war einst zur Garnison ausgebaut worden. Wohn-, Arbeits- und Bürogebäude stehen beinahe in Reih und Glied an langen und breiten Straßenzügen. Einiges ist bereits renoviert, andere Häuser sehen noch arg vernachlässigt aus. Viele Gebäude stehen leer, in manchen sind Werkstätten und Galerien untergebracht. So auch das Mark Rothko Art Center. Der Künstler wurde am 25. September 1903 als Markus Rothkovich in diesem Ort geboren. Damals hieß die Stadt Dvinsk und gehörte zu Russland.
Es war schon später Nachmittag, und wir zogen noch mal zu Fuß los in die Stadt, ein etwa 45 Minuten langer Spaziergang. Wir hätten wohl auch von der Haltestelle an der Festung mit der klapprigen Straßenbahn aus sowjetischen Tagen fahren können, trauten uns aber nicht wegen der Sprachbarriere. Hier hatte Sprache noch mal einen anderen Klang, nämlich russisch. Wir lasen nach, dass von den über 92.000 Einwohnern in Daugavpils 53,6% Russen sind, 19,8% Letten, 14,2% Polen.
Unser Eindruck: im Stadtgebiet sah es doch noch sehr nach post-sowjetischen Zeiten aus. Ein paar Eimer Farbe und etliche Reparaturen an den Häusern und ein paar Hände voll Geld täten dem Ort gut. Aber vielleicht will gut Ding Weile haben und es wird irgendwann.
In der Fußgängerzone war einiges los. Doch wegen des einsetzenden Regens flohen wir in ein Einkaufszentrum. Licht und Schatten, wie Frederick immer sagt: super schicke Läden wechselten sich mit einigen schäbigen ab. Im modernen Ecco-Schuhgeschäft kaufte Frederick ein paar schwarze Schnürsenkel (!), fand dann auch noch ein Paar Einlagen aus Leder für seine alten (!) Sportschuhe. Ich hätte mich wahrscheinlich eher für Kompletterneuerung, sprich einem Paar neuer Sportschuhe entschieden …
Am Asia-Restaurant schafften wir nicht, vorbei zu kommen und blieben dort zum Essen. Die Rechnung betrug 17€ für zwei sehr leckere Mahlzeiten mit zwei sehr kleinen Gläsern Wein (100ml) und wir waren damit sehr zufrieden. Daugavpils gewann von Stunde zu Stunde und wurde uns immer sympathischer. Inzwischen regnete es auch nicht mehr und wir spazierten zurück durch die mittlerweile erleuchtete Fußgängerzone. Offenbar sollte am Abend noch ein Fest stattfinden, wir tippten auf Lichter-Fest, denn überall wurden Scheinwerfer aufgebaut, Musiker schleppten ihre Instrumente an. Wir hatten aber noch einen Weg von knapp einer Stunde vor uns und entschieden uns für den Rückweg zum Stellplatz in der Zitadelle. Wir waren einfach zu müde und dicke Regenwolken hingen auch schon wieder über uns.
Kaum waren wir im Wohnmobil, gab es den nächsten Wolkenbruch, störte uns nun aber nicht weiter! Morgen ist ein neuer Tag, und für uns steht das Museum Mark Rothko auf dem Programm!
Sonntag, 15. September 2019
Mark Rothko Museum
Nichts hatte unsere Nachtruhe gestört, außer dem Regen, der aufs Dach getrommelt hatte. Der Parkplatz war verwaist, nicht viel los in der Festung an einem Sonntag. Wir hatten ja auch nur noch den Besuch der Galerie auf dem Zettel und die paar Schritte dorthin schafften wir im Trockenen.
Wir waren sehr gespannt auf die Bilder und die Lebensgeschichte eines Künstlers, dessen Gemälde auf dem Kunstmarkt Spitzenpreise in zweistelliger Millionenhöhe erreichen.
Im Center gibt es verschiedene Sektionen, nicht alle waren (wegen Neugestaltung) zugänglich. Wir buchten lediglich die Rothko-Ausstellung, 2,50€ pro Person für Rentner. Im Angebot war der Geburtstag des Künstlers, 25. September, wer da mithalten konnte (also am selben Tag Geburtstag hatte), bezahlte nur die Hälfte des Eintrittsgeldes, eine nette Geste! Bevor wir die Ausstellung betreten durften, wurden wir – wie auf dem Flughafen – durchgecheckt.
Mark Rothko war viertes Kind des jüdischen Apothekers Jacob und seiner Frau Anna Goldin Rothkowich. Die Eltern heschlossen 1913, wegen antisemitischer Progrome im Zarenreich in die USA auszuwandern. Für den Jungen Markus (er entschied sich später für die Namensänderung in Mark Rothko) war der Verlust der Heimat, das Herausgerissen werden aus einem behüteten Umfeld einer Großfamilie traumatisch. Dies zog sich durch sein ganzes Leben und fand Ausdruck in seiner Malerei. In der Galerie wurde viel Wert darauf gelegt, das Leben des Künstlers, seine Sensibilität darzustellen. Wenngleich ihm auch die Möglichkeit geboten wurde, in Amerika Kunst zu studieren und in der Szene Fuß zu fassen, konnte er seinen Gefühlen, Depressionen nicht entfliehen, bis er 1970 sein Leben selbst beendete. In der Galerie überwog eine nicht düstere, aber dunkle und tiefe Atmosphäre, Rothkos Bilder (Originale!) aber waren gezielt und gut ausgeleuchtet. Er hatte einmal empfohlen, sie aus einer Distanz von etwa 45 cm zu betrachten. Durch eine Art Absperrung kam man auch nicht näher heran. Einmal hier abtauchen zu können in die Welt der Kunst, ein völlig anderes Leben, eine andere Zeit, tat gut. Wer mehr über Mark Rothko, den bedeutendsten Repräsentanten der Farbfeldmalerei und des abstrakten Expressionismus erfahren möchte, schaue bitte in den LINK
Es war früher Nachmittag, den Rest des Tages vergruben wir uns wegen des schlechten Wetters im Wohnmobil und beschäftigten uns mit Schreiben, Lesen, Fotos aufarbeiten.
Montag, 16. September 2019
Gefangen in einer Festung!?
Heute, am Montagmorgen, sah die Welt – der Parkplatz schon anders aus, nämlich vollgestellt mit PKW’s, offenbar alles Leute, die irgendwas von der Behörde wollten, denn es war ein Kommen und Gehen. Das war uns nun wirklich zu ungemütlich und wir wollten nach dem Frühstück abreisen. Über denselben Weg, den wir gekommen waren, ging das nicht, weil die Route eine Einbahnstraße war.
Das Navi wies uns einen anderen Weg, leider zu einem Torbogen, der nur 2,8m hoch war. Oje, Festung ist Festung, wir waren eingesperrt!
Frederick wollte keine Straßenverkehrs-Ordnungswidrigkeit begehen und entschied sich kurzerhand, beim Polizeirevier, vor dem wir gestanden hatten vorzusprechen und die Situation zu erklären. Das war gar nicht so einfach, weil niemand Englisch sprach! Er wurde ein paar Mal weitergereicht, bis er an eine junge Polizistin geriet, die ihm weiterhalf. Hurra, es gab einen Ausweg auf der entgegengesetzten Seite der Festung! Sie erklärte ihm die Route und so wurden wir in die Freiheit entlassen.