Bingen
Donnerstag, 14. September 2017
Es hatte wohl die ganze Nacht über geregnet, jedenfalls schien es mir so, weil ich immer mal wieder aufgewacht bin, obwohl es eigentlich auf diesem Platz sehr ruhig war. Wir frühstückten spät und ausgiebig, konnten uns im Wohnmobil leider nicht so viel beschäftigen außer mit Lesen, da der Internet-Empfang nicht gerade gut ist. Schließlich entschieden wir uns, nach Bingen (20 Minuten ) zu fahren, um dann eben im Regen und mit dem Schirm bewaffnet die Stadt zu erkunden! Es war sehr schwierig, einen geeigneten Parkplatz zu finden. Denn wir wurden ständig umgeleitet wegen vieler Baustellen, bis unser Navi und wir irgendwann nicht mehr ein noch aus wussten! Ein drittes Mal am Toom-Markt vorbei und wir beschlossen, einfach hier auf dem Kundenparkplatz zu parken, da keine Verbotsschilder zu sehen waren. Wir marschierten los.
Das Wetter hatte sich etwas verbessert und wir wurden nur ab und zu noch von Regenschauern überrascht. Wir liefen nicht durch die Stadt, sondern am Fluss Nahe entlang, bis an die Stelle, an der er in den Rhein mündet. Hier ging es weiter an der Rheinpromenade, am Kulturufer Bingen entlang. Dieser Teil wurde 2008 für die Landesgartenschau Rheinland Pfalz wunderschön neu gestaltet. Warum ist es denn am Rhein so schön?
Weil an seinen Ufern schöne mittelalterliche Städte liegen, in diesem Fall schauten wir hinüber auf Weinhänge und nach Rüdesheim, berühmt für seine Drosselgasse.
Wir liefen vorbei an der “Gartenstadt”, auf dem breiten Grünstreifen waren die unterschiedlichsten Gärten angelegt mit lauschigen Ecken, Kinderspielplätzen und auch Kunst (Statuen).
Für die Fähren-Fahrt nach Rüdesheim war es mittlerweile zu spät geworden, auch wenn das Übersetzen nur ca. 8 Minuten dauert. Darum schwenkten wir in die Innenstadt. Bingen hat ca. 25.000 Einwohner. Bereits vor den Römern gab es wegen seiner verkehrsgünstigen Lage (Zusammenfluss von Nahe und Rhein) eine keltische Siedlung. Um das Jahr 100 n. Chr. siedelten sich die Römer an. Brachten sie vielleicht den Weinanbau in diese Gebiete?
Über die Jahrhunderte wurde Bingen von Feuersbrünsten, politischen Streitigkeiten zwischen Bischof und Kaiser und von Kriegen heimgesucht. Um 1794 besetzten französische Revolutionstruppen das Rheinufer. Der Zweite Weltkrieg hinterließ ebenso Spuren der Zerstörung. Bingen wurde im November 1944 stark bombardiert. So stehen in der Innenstadt mittelalterliche schön restaurierte Häuser neben 60er Jahre Gebäuden. Man freut sich über den Anblick des Binger Mäuseturms auf der Insel im Rhein, die wiederhergestellte Basilika St. Martin im Ortskern. Ein geschütztes Kulturdenkmal ist der im 16. Jahrhundert angelegte Jüdische Friedhof. Auf Schritt und Tritt begegnen uns die Verlockungen zum Einkehren: Cafés, Gasthäuser, Weinstuben, die Zwiebelkuchen, Flammkuchen und Federweißer anbieten. Federweißer ist noch kein fertiger Wein, sondern aus roten oder weißen Reben gepresster Traubenmost. Die alkoholische Gärung hat gerade begonnen und der Most wurde noch nicht gefiltert. Da wir noch die kurvige und ansteigende Strecke nach Stromberg zurücklegen mussten, verzichteten wir lieber auf das Getränk, das schnell zu Kopf steigt!
Wir hatten unseren Rundweg fast beendet und in den paar Stunden einen recht guten Eindruck von Bingen bekommen. Unser Wohnmobil hatte kein Ticket bekommen und wir fuhren zurück nach Stromberg.
Über diesen kleinen im Hunsrück gelegenen Ort gibt es Interessantes zu berichten: man hört und liest ja manchmal vom “Deutschen Michel”. Er weist eher auf das Bild des typischen schlafmützigen und tölpelhaften Deutschen hin, dessen Karikaturisten im In- und Ausland sich gern bedienen. Hier eine andere Geschichte und nicht ohne Stolz heißt die Touristen-Broschüre “Michels Land”: Am 2. Oktober 1574 wurde Hans-Michael Elias von Obentraut als Sohn des Kaiserlichen Rates J.B. von Obentraut geboren und verlebte auf der Burg in Stromberg seine Kindheit. Im Dreißigjährigen Krieg zog er – im waffenfähigen Alter – an der Spitze einer 500 Mann starken Kavallerie (für die Evangelische Union) in den Kampf. Er machte durch seine Tüchtigkeit und seinen Mut von sich reden und brachte es bis zum General. Marschall Tilly war sein Widersacher. Bei den spanischen Söldnern brachten seine militärischen Kunststücke ihm den Ruf des gefürchteten “Miguel Aleman” ein. Immer kämpfte General Michael von Obentraut an der Spitze seiner Reiter, bis er im Oktober 1625 sein Leben verlor, getroffen von einer Gewehrkugel auf dem Schllachtfeld in Seelze bei Hannover.
Heute stellt Stromberg sich den Anforderungen des modernen Tourismus: Für Weinfeste, Wandern, Sport und Wellness wird geworben. Wir fühlten uns auf dem ruhigen Stellplatz sehr wohl, bereiteten unser Abendbrot und verbrachten einen gemütlichen Abend.