Riga
Riga, Donnerstag, 22. August 2019
Großstadtgetümmel
Jurmala als überschaubarer hübscher Badeort hatte uns gut gefallen, dennoch wurde es Zeit für uns, in die Großstadt Riga aufzubrechen, der geschäftigen Hauptstadt Lettlands (etwa 700.000 Einwohner). Sie ist als ehemalige Hansestadt die Perle des Baltikums, eingetragen in die Liste des UNESCO-Welt- Kulturerbes. Wir waren also gespannt. Fuhren wir aus Jurmala noch die blumengeschmückte Hauptstraße entlang, änderte sich das bald und der Verkehr Richtung Riga nahm zu. Viele Baustellen taten ein Übriges, so dass sich der Verkehr immer mehr staute. Trotz der nur 30 km von Jurmala, benötigten wir letztendlich eine dreiviertel Stunde für die Strecke. Kleiner Trost vielleicht: beim nächsten Besuch sind dann alle Straßen neu und schick …
Die „Park4Night“ App (wie auch Patrick, den wir in Ventspils getroffen hatten) hatte einen Parkplatz auf einem Hinterhof in Stadtnähe vorgeschlagen. Den fanden wir dank Navi auch mühelos, aber er war schon ziemlich mit PKW’s zugeparkt. Die nette Dame, bei der wir uns angemeldet hatten, fand jedoch noch ein Eckchen (eingekeilt von zwei PKW’s) und wies uns ein. Wir buchten gleich für zwei Nächte zum insgesamt unglaublich günstigen Preis von 16€! Ein echter Geheimtipp – allzu wählerisch sollte man deshalb nicht sein!
Wir hielten uns nicht auf, sondern marschierten sofort los Richtung Altstadt, dem schönsten Teil Rigas. Dabei durchquerten wir einige noch nicht renovierte Straßenzüge und es sah noch sehr nach Aufbau Ost aus. Wie Frederick meint, es gibt viel Licht aber auch noch viel Schatten. Kein Wunder, wenn man sich erst seit 30 Jahren die Unabhängigkeit von Russland zurück erkämpft hat (friedlich!!). Viel Licht gab es für uns in Form eines besonderen Cafés: eine Filiale der Bäckerei-Kette Junge, hurra! Sie hatten alles, was das (deutsche) Herz begehrt und wir kauften hemmungslos unsere Wegzehrung ein (Croissants, Kopenhagener, Berliner). Die Verkäuferinnen sprachen nicht nur Englisch, sondern auch Deutsch. Vielleicht ist das eine Bedingung, um dort einen Job zu bekommen, wir wissen es nicht. Es tat uns ein bisschen leid, die ausgestellten zwei Sorten landes-typischen Kuchen, auf die man uns extra hingewiesen hatte, links liegen gelassen zu haben …., frei nach dem Motto: “Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich”.
Je näher wir zum Rathausmarkt kamen, desto mehr Touristen waren im Straßenbild. Aha, es sind wieder Passagiere von Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Angeführt von ihren Tour-Guides, ausgestattet mit ”Follow me”-Zeichen, folgten die Gruppen einer Sehenswürdigkeit nach der anderen, ein einziges Sprachengewirr unterwegs. An alten Bekannten kamen wir vorbei: den “Bremer Stadtmusikanten!” Was machen die denn hier? Sie waren ein Geschenk der Partnerstadt Bremen in 1990 und bekamen hier aufgestellt eine politische Bedeutung (auf die damaligen Verhältnisse gemünzt, ist es, als schauten sie durch den Spalt des Eisernen Vorhangs …). Riga versprühte seinen Charme bei strahlendem Sonnenschein und nahm auch uns sofort gefangen: die Altstadt mit ihren herausgeputzten Häusern, allen voran das Schwarzhäupter-Haus (ursprünglich 1334 erbaut, im 2. Weltkrieg von der Wehrmacht weitestgehend zerstört, 1948 aus Sicherheitsgründen endgültig gesprengt und zwischen 1991 – 99 originalgetreu wiederaufgebaut als Treffpunkt der lokalen Kaufleute), die winkligen Gassen, die vielen Kirchtürme, die stolz in die Höhe ragen (St. Petri Aufstieg nur per Fahrstuhl für 9€ möglich, also nein, danke), die schön restaurierten Gilde- und Kaufmannshäuser – ein Traum aus 800-jähriger Geschichte.
Wir besichtigten als erstes das Schwarzhäupter-Haus. Es entstand Mitte des 14. Jahrhunderts aus einer Bruderschaft der Schwarzhäupter, einem Zusammenschluss von unverheirateten Händlern, Schiffseignern und ausländischen Handelsleuten, denen man Zugang gewährt hatte (bis 1940 aktiv, und bis in die heutige Zeit in Hamburg!). War die Bruderschaft am Beginn auch eher zu militärischen Zwecken gegründet, so veränderte sie sich jedoch über die Jahrhunderte zu einer kaufmännischen Organisation. Uns hat das Schwarzhäupterhaus sehr beeindruckt, sowohl das Museum über den geschichtlichen Teil als auch die Gestaltung der heutigen Prunksäle in den oberen Geschossen, die offenbar häufig für repräsentative Veranstaltungen genutzt werden.
Rigas Altstadt ist zum Glück fast gänzlich für den Autoverkehr gesperrt, die Sehenswürdigkeiten lassen sich aber bequem zu Fuß erkunden und es lässt sich herrlich bummeln.
Das ”Paris des Ostens”, wie die Stadt früher schon genannt wurde, ist wohnmäßig ein teures Pflaster. So lebt die Mehrheit der Bevölkerung denn auch in den grauen Vorstädten, die aus der sowjetischen Zeit mit den Plattenbauten verschandelt sind. Beruhigend ist aber, dass überall in der City gebaut, restauriert und saniert wird, wohin man auch schaut. Es kann also nur besser werden.
Übrigens sind die beiden größten Bevölkerungsgruppen in Riga Letten (über 46% in 2011) und Russen (über 40% in 2011). Das erklärt vielleicht, dass wir in dem ganzen Sprachengewirr häufig auch ein “Spassiva” oder so ähnlich (Russisch für Danke) oder Dawai (los, komm schon) heraushörten. Wir kamen an den Hafen, wo zwei Kreuzfahrtschiffe im Fluß Daugava vor Anker lagen. Eines war die Norwegian Spirit, die wir schon in Klaipeda gesehen hatten. Offenbar gut unterwegs, der Dampfer!
Wer mehr über Riga erfahren möchte, lese bitte selbst einmal nach, die Erlebnisse in so einer Stadt sind Seiten füllend!
Was uns sehr berührte, war – bei den aufgestellten Informationstafeln auf dem Platz des Friedens die Geschichte zur Unabhängigkeit einmal nachzulesen. Hier wurde per Text (auf Englisch) und Fotos umfangreich geschildert, wie es zur Unabhängigkeit Lettlands und der beiden anderen baltischen Staaten Litauen und Estland kam. Am 23. August, also am nächsten Tag, sollte das Bestreben nach Unabhängigkeit, vor 30 Jahren begonnen und letztlich ja auch erreicht, gefeiert werden. Durch alle drei Staaten hatte es damals unter anderem eine 604 km lange Menschenkette gegeben, die dem Drang, sich von der sowjetischen Besetzung zu befreien, Nachdruck verleihen sollte.
Eine dramatische Zeit lag hinter den Völkern der Baltischen Länder, eigentlich immer schon, in all den Kriegen und Kämpfen. Wer verschaffte sich nicht alles Zugang zu diesen Ländern: die Schweden, Dänen, Deutschen, Russen, Franzosen … da schwirrt einem der Kopf! – Wen es näher interessiert, bitte gern einmal nachlesen. Auch die Geschichte der Ritter des Deutschen Ordens begegnet uns hier wieder… Das Streben nach Macht und Ruhm, Geld und Gut hat sie alle angelockt.
Anschließend spazierten wir zur Neustadt und bewunderten die Jugendstilhäuser in der Gegend um die Elisabethstraße. So langsam waren wir hungrig. Überall in Riga ist das gastronomische Angebot vielfältig und verlockend. Wir ließen uns wie all die vielen anderen Touristen gern zu einem Abendessen in einem der gemütlichen Lokale in der Altstadt verführen.. Die ”Lettische Küche” musste doch einmal probiert werden – und war sehr lecker!
Wir freuten uns auf einen weiteren Tag und schleppten uns nach etlichen Stunden erst einmal mit rund gelaufenen Füßen die zwei km zurück zum Wohnmobil!
Riga, Freitag, 23. August 2019
Oh Schreck: Kein Strom
Wir hatten uns vorgenommen, im Café Junge zu frühstücken, wie wir es manchmal auch in Malente tun. Aber – ein Schreck in der Morgenstunde: unser Strom hatte sich verabschiedet. Frederick checkt das alle paar Tage und heute die schlechten Nachrichten. Das bedeutet, kein Strom für den Antrieb der Wasserpumpe (kein heißes Wasser), etc. Was war passiert? Den genauen Grund konnten wir nicht so schnell ermitteln. Allerdings gelang es Frederick, durch Starten des Motors genug Strom für den nötigsten Bedarf wiederherzustellen.
Unsere Lithiumbatterie wird über eine App gesteuert, über die man auch die Leistungsinformationen ausdrucken kann. Dies tat Frederick und schickte die Werte an die Firma, die die Batterie eingebaut hatte. Die Diagnose: die Solaranlage auf dem Dach liefert nicht genug Strom! Warum, war nicht sofort ersichtlich. Wir wollten uns aber den Tag nicht vermiesen lassen, sondern wir waren scharf auf unser Frühstück in der Bäckerei Junge. Deswegen nichts wie los! Das Café bot zwar Croissants und lecker fertig belegte Brötchen an, aber es gab kein Brötchensortiment, wie wir es kennen. Ist ja nicht weiter schlimm, uns sollten die belegten Brötchen recht sein und wir frühstückten gemütlich mit einem Kaffee.
Danach ging’s zum Friedens-Platz, wo ja die Gedenkfeier stattfinden sollte. Am Fuße des Denkmals waren unzählige Blumensträuße niedergelegt, zwei Soldaten schoben Wache, bei der Mittagshitze sicher nicht leicht. Deshalb durften sie sich auch mal bewegen bei der Wachablösung, sie tauschten nach einigem Hin und Her im Stechschritt die Plätze.
Viele ließen sich fotografieren, hier an diesem denkwürdigen Tag, dem 23. August, unter anderem ein Paar mit Tochter. Sie hielten eine gerahmte Fotografie in den Händen. Wahrscheinlich waren die Eltern vor 30 Jahren Teil der Menschenkette gewesen und feierten in der Erinnerung daran heute den Sieg der Unabhängigkeit.
Im Zentrum besichtigten wir das pharmazeutische Museum (geringer Eintritt), untergebracht in einem der kleineren alten Häuser in der Altstadt. es war sehr interessant, etwas über alte Heilkunde zu erfahren.
Das Nationale Geschichtsmuseum Lettlands, dass wir im Anschluss besuchten, gewährt freien Eintritt. Man könnte Stunden dort verbringen. Frederick hielt es etwas länger aus, ich wollte wieder zurück in die Sonne!
Das Touristenbüro hatte uns gut mit Informationen versorgt, als nächstes steuerten wir die Drei-Brüder-Häuser an. Der Legende nach wurden die Häuser von drei Männern aus einer Familie gebaut, jedoch in drei unterschiedlichen Jahrhunderten: 15., 16., 17. Jahrhundert. Sie sind wunderschön restauriert und wert, erwähnt zu werden.
Ganz in der Nähe lockte das ”romantischste Cafe”, das zusätzlich ”free hugs”, ein paar nette Umarmungen von der Barfrau/dem Barmann anbot. Der klitzekleine Innenhof war wirklich einladend, entzückend dekoriert und wir legten unsere Kaffeepause hier ein. Mit einem netten deutschen Ehepaar (auf organisierter Radtour) kamen wir schnell ins Gespräch, vor allem wegen der Kuchen, die waren eine Überraschung: Baiser mit einer Quarkmischung und frischen Blaubeeren (sah aus wie ein Riesenberg Sahne) und Blaubeer-Käsekuchen, dazu Tee und Kaffee, 15€ für alles. Das war schon etwas auf der teureren Seite, aber jeden Cent wert! Frederick bezahlte drinnen, ob er von der netten Bedienung auch noch umarmt wurde, weiß ich nicht …
Da wir nichts auslassen wollten, wanderten wir zum größten mittelalterlichen Gebäude in Lettland, dem Rigaer Schloss (700 Jahre alt). Es liegt am Ufer des Daugava Flusses. Man kann es innen nicht besichtigen,, da es Sitz des Lettischen Präsidenten ist. Aber es lohnte sich, einen Blick darauf geworfen zu haben. Von der nahe gelegenen Vansu-Brücke konnte Frederick noch einige tolle Fotos machen. Was wir verpasst hatten, war , da nun zu spät, der Besuch der Märkte und Markthallen von Riga. Das, und auch die Besichtigung des imposanten Gebäudes der Wissenschaftlichen Akademie (Architektur der sowjetischen Periode in den 1950er Jahren) nahmen wir uns für den nächsten Tag vor.
Abends wollten wir noch etwas fernsehen, aber erlebten recht schnell eine böse Überraschung: ein Klickgeräusch und plötzlich war der gesamte Strom weg. Was war passiert? Durch das Laufenlassen des Motors am Morgen (und nochmals am Abend) war nur eine geringe Spannung aufgebaut worden, die für den Fernseher nicht mehr ausreichte. Also startete Frederick den Motor nochmals, um wenigsten genug Strom für die Wasserpumpe aufzubauen, während der Fernseher ausgeschaltet blieb.
Riga, Samstag, 24. August 2019
Nach dem Fiasko mit dem Strom am letzten Abend musste es nun sein: Frederick quetschte sich am frühen Morgen mittels Leiter im Innenraum durch die Dachluke – wie schon einige Male zuvor – und war entsetzt über den Schmutz auf dem Dach und den Solarpaneelen. Es lag eine dichte Schmutzschicht auf dem ganzen Dach verteilt. obwohl wir unsere Tour mit sauberem Dach und Wohnmobil begonnen hatten. Ich war noch im Bett, während Frederick da oben herumturnte. Er reinigte die Solarpaneele, auf denen wirklich viel Dreck haftete. Kein Wunder, dass die Batteriezellen nicht ausreichend geladen wurden. Hinzu kam, dass wir ja zwei Tage zuvor einen komplett verregneten Tag hatten, ohne Sonne waren. An einem solchen Tag laden die Solarzellen sowieso kaum. Durch den Schmutz auf den Paneelen wurde also gestern nicht genug nachgeladen. Dann kann so eine unliebsame Überraschung schon mal passieren. Auf die vollständige Dachreinigung verzichtete Frederick, das hätte Stunden gedauert ….
Gute Nachrichten: das Reinigen der Solarpaneele hat’s bewirkt und Strom wurde durch die Sonnenenergie wieder aufgeladen, hurra! Es war also keine teure Reparatur zu erwarten, welch ein Glück! Trotzdem müssen wir uns im nächsten Ort (Pärnu in Lettland) einen Platz mit Strom aussuchen, da wir wieder auf die volle Spannung von 14.2 Volt kommen müssen, so dass die Anlage wieder normal arbeiten kann.
Wir rüsteten zur Abreise, fuhren aber als erstes zum monumentalen Gebäude der Wissenschaftlichen Akademie (ein Relikt aus sowjetischen Zeiten). Per Fahrstuhl auf den Aussichtsturm zu kommen, kostete 5€, ich habe es ja eh nicht so mit der Höhe, deshalb verzichtete ich auf den Trip, nur Frederick fuhr mit einigen anderen fotografier-wütigen Touristen hinauf. Der Ausblick auf die Stadt war noch mal ein anderer und somit interessant. Hier Fotos, aufgenommen von der Aussichtsplattform des Turmes.
Nebenan liegt auch der berühmte Rigaer Markt mit unzähligen Ständen, außen und in den restaurierten Hallen. Dieser Markt gilt als einer der größten in Europa. Die riesigen Gebäude sind ehemalige Zeppelin-Hallen aus dem 1. Weltkrieg. Täglich geöffnet, zieht dieser gigantische Markt Einheimische und Touristen aus aller Welt an. Das muss man mal gesehen haben! Es gibt alles, von Kleidung über sämtliche Lebensmittel, die man sich denken kann, Lederwaren – weiteres Aufzählen zwecklos! Da wir unseren Kühlschrank auffüllen mussten, waren wir hier am richtigen Platz und kauften günstig ein, bevor wir uns auf die Weiterreise nach Pärnu in Estland machten.
Hallo Dethleffs!
Jurmula und Kap Kolka klingt schon sehr nach finnisch.
Da habe ich doch bei Euch gelesen, dass Ihr dort auch noch hinkommt.
Wir haben in Finnland mal den Namen eines Künstlers gehört: Jorma Gallen-Gallela (phon.).
Zweifellos ist Riga ein Schwerpunkt Eurer Reise durch’s wilde Baltikum.
Eure Begeisterung für diese Stadt ist – angesichts der tollen Fotos – verständlich.
Euer Dethleffs hat doch immer mal wieder ein Überraschung parat.
Schön das Frederick sich mit der digitalen Technik so gut auskennt.
Ich stünde da vor einem großen Berg – sozusagen vorm K1!
Schön auch, dass man immer mal wieder Euch auf den Fotos entdecken kann,
so erkannt man Euch dann auch nach der Rückkehr leichter wieder!
Dann mal weiterhin gute Reise!
LG Assi
Hej på er båda!
Åh, så fantastiskt att följa er resa. Det blir också värdefulla historielektioner. Jag( Margareta) har varit i Riga några gånger i samband med våra biståndsprojekt i en liten stad (Olaine) inte långt från Riga. Staden Riga är en väldigt vacker stad med alla gamla historiska byggnader. Vi hoppas kunna resa dit vid något tillfälle.
Nu hoppas vi att ni får en fortsatt trevlig resa. Vi följer er färd med stort intresse.
många kramar från Margareta o Rune